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Wie funktioniert Geothermie?
Im Innersten unseres Planeten herrscht nach heutigen Schätzungen eine Temperatur zwischen 5.000 und 7.000 Grad Celsius. Ohne Unterbrechung, also 24 Stunden am Tag, sommers wie winters, steigt ein ständiger Wärmestrom an die Oberfläche, der das Gestein, aber auch die Wasservorkommen in den Tiefen der Erde erhitzt.
Diese Tiefengewässer werden Thermalwasser genannt. Je tiefer man in das Innere der Erde vordringt, desto heißer wird es. Pro 100 Meter Tiefe nimmt die Temperatur um zirka drei Grad Celsius zu. 99 Prozent unseres Planeten sind heißer als 1.000 Grad Celsius. Vulkane und Geysire sind die oberirdischen Zeugen dieser gigantischen Wärmevorkommen.
Das Süddeutsche Molassebecken
Vor allem im Süddeutschen Molassebecken sind die Voraussetzungen zur Erschließung von Geothermie günstig, da sich hier besonders heißes Wasser in entsprechender Tiefe befindet. Ein großer Teil Südbayerns liegt über den Schichten des sogenannten Malmkarsts, die an der Basis des Süddeutschen Molassebeckens zwischen Donau und dem Alpenvorland auftreten und die gleich einem Schwamm sehr porös oder verkarstet bzw. zerklüftet sind. In diesen durchlässigen Gesteinsschichten und Hohlräumen befindet sich Thermalwasser, das über eine Tiefbohrung nach oben gelangt und zur Energiegewinnung genutzt werden kann.
Aufgrund der völlig unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten in Holzkirchen gegenüber der Region im westlichen Baden-Württemberg ist hier ein Aufquellen des Anhydrits im Gipskeuper, wie bei den oberflächennahen Bohrungen in Staufen oder Leonberg geschehen, nicht möglich.
Geothermie ist nicht gleich Geothermie
Die tiefe Geothermie ab 400 Meter
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Erdwärme zu nutzen. In Südbayern kommt neben der weit verbreiteten Nutzung der oberflächennahen Geothermie (Brunnen, Erdwärmesonden oder Flächenkollektoren) vor allem die hydrothermale Tiefengeothermie bei der großenergetischen Nutzung zum Einsatz.
Verschiedene Verfahren der tiefen Geothermie
In Holzkirchen soll die hydrothermale Geothermie erschlossen werden. Dabei wird heißes Thermalwasser aus großer Tiefe genutzt. So ist eine direkte Wärmeversorgung und ab einer Temperatur von rund 120 Grad Celsius auch eine Stromproduktion, wie zum Beispiel in Unterhaching, möglich.
Die hydrothermale Geothermie
Voraussetzung für dieses Verfahren ist eine poröse, thermalwasserführende Gesteinsschicht im tieferen Untergrund, wie sie beispielsweise im Malm im Süddeutschen Molassebecken in Erscheinung tritt. Das angebohrte, heiße Thermalwasser steigt aufgrund des natürlich vorhandenen Drucks bis zirka 200 Meter unter der Geländeoberfläche auf und wird in der Förderbohrung mithilfe einer Tauchkreiselpumpe bis an die Oberfläche gepumpt. Über Wärmetauscher wird die Energie des heißen Wassers auf zwei weitere Kreisläufe (Energiezentrale und Heizungskreislauf der jeweiligen Immobilie) übertragen. Mittels der zweiten Bohrung, der Reinjektionsbohrung, erfolgt die Ableitung des abgekühlten Thermalwassers wieder in den Untergrund.
Die Förder- und Reinjektionsbohrung werden zusammen auch als geothermische Dublette bezeichnet.
Dem Untergrund wird somit nur Wärme, aber kein Wasser entzogen. Das hydrodynamische Gleichgewicht wird somit nicht verändert, der Wasserkreislauf bleibt in sich geschlossen.
Bei der hydrothermalen Geothermie müssen keine künstlichen Fließwege neu geschaffen werden. Ein Fracking der Gesteine findet nicht statt.
Die petrothermale Geothermie mit dem Hot-Dry-Rock-Verfahren
Das sogenannte Hot-Dry-Rock-Verfahren – wie zum Beispiel in Soults-sous-Foret, in Bad Urach oder in Basel angewandt – unterscheidet sich völlig von der hydrothermalen Geothermie. Bei diesem Verfahren wird mit einer Tiefenbohrung kaltes Wasser von außerhalb mit sehr hohem Druck in heißes, wasserundurchlässiges Granitgestein verpresst (hydraulische Hochdruckstimulation bzw. Fracking), um das Gestein aufzubrechen und einen Kreislauf zu erzeugen, in dem sich das eingeleitete Wasser aufheizt. Weitere Bohrungen befördern das durch künstlich geschaffene Klüfte zirkulierende Wasser wieder an die Oberfläche. Das abgekühlte Wasser wird im geschlossenen Kreislauf wieder in das heiße Gestein zurückgeleitet. Bei diesem Verfahren können Erschütterungen ausgelöst werden.
Die Stromproduktion
ORC-Kraftwerk (Organic Rankine Cycle)
Diese Technik ist seit Jahrzehnten erprobt. Das heißte Thermalwasser gibt seine Energie über einen Wärmetauscher an einen zweiten Kreislauf im Kraftwerk ab. In diesem – wieder ein in sich geschlossener Kreislauf – zirkuliert jedoch kein Wasser oder Wasserdampf, sondern ein spezielles Fluid (Kältemittel), das bereits bei niedrigen Temperaturen verdampft, wodurch eine Turbine mit einem Generator zur Stromerzeugung angetrieben wird. Das Thermalwasser selbst bleibt wie bei der Fernwärmeerzeugung in seinem eigenen Kreislauf. Es wird ebenfalls wieder über die Reinjektionsbohrung in den Untergrund geleitet.
Der Claim
Das Erdwärme-Erlaubnisfeld Holzkirchen (Geothermie-Claim) umfasst insgesamt rund 126 Quadratkilometer und ist im Alleinbesitz der Marktgemeinde Holzkirchen. Der Besitz eines Claims ermöglicht die Aufsuchung von Bodenschätzen, in diesem Fall von heißem Thermalwasser. Die neuen 3-D-seismischen Untersuchungen fanden auf rund 65 Quadratkilometern in und um die Marktgemeinde Holzkirchen statt.
Die Seismik-Ergebnisse von 2011
Bei der Anfang 2011 durchgeführten 3-D-Seismik-Untersuchung wurde quasi eine „Landkarte des Untergrunds“ angefertigt. Sie lokalisierte unter anderem die Tiefenlage des Malm-Reservoirs, Störungen in der Malm-Kalkschicht (Malm) mit vielen Rissen, Riffen und Hohlräumen und Bereiche mit potenziell günstigen Bedingungen für das Antreffen von Thermalwasser in ausreichender Menge. Das Unternehmen Erdwerk rechnet gemäß aktueller Bohrplanung mit einer Schüttung von ca. 65 Litern pro Sekunde und einer Thermalwassertemperatur von rund 140 Grad Celsius. Zudem existieren bereits ehemalige Erdölbohrungen, bei denen Temperaturen von mindestens 128 Grad Celsius gemessen wurden. Viele Strukturen seien sehr gut zum Anbohren geeignet, lautete das Fazit der Geologen.